Vielleicht ahnst Du bereits, dass Tavor und Alkohol in dieser Kombination nicht empfohlen wird. Doch welche Gefahren lauern wirklich?
Tavor ist ein Beruhigungsmittel, das angstlösend und schlaffördernd wirkt (1). Es wird bei schweren Angststörungen ebenso eingesetzt wie bei Schlafstörungen oder Epilepsie. Tavor hat ein hohes Suchtpotential und sollte deswegen nur über kurze Zeiträume verwendet werden.
Auch aufgrund seiner Neben- und Wechselwirkungen ist das potente Psychopharmakon mit Vorsicht zu handhaben.
Ein Problem ist die Kombination von Tavor und Alkohol, die dringend gemieden werden sollte. Doch was hat es mit dieser Wechselwirkung auf sich und wie gefährlich ist sie tatsächlich?
Um dies zu beantworten, lohnt sich ein Blick auf die Wirkmechanismen beider Substanzen.
Über mich
Hallo,
mein Name ist Andreas und ich bin 44 Jahre alt. Ich litt jahrelang unter einer Angststörung mit Panikattacken, Depressionen und Zwangsverhalten.
Falls Du mehr über mich erfahren möchtest und was mir persönlich am meisten geholfen hat, kannst Du das hier nachlesen.
Wie ist der Wirkmechanismus von Tavor?
Tavor enthält den Wirkstoff Lorazepam, der zur Gruppe der Benzodiazepine gehört. Er gelangt schnell durch die Blut-Hirn-Schranke in das Gehirn und entfaltet dort seine beruhigende Wirkung, indem er das inhibitorische System stärkt.
Im Gehirn herrscht ein Gleichgewicht zwischen Erregung und Hemmung
Die Aufgabe des Gehirns liegt im Grunde darin, Reize aus der Umwelt zu erkennen, zu verarbeiten und eine adäquate Reaktion auszulösen. Hierzu verfügt es über schätzungsweise 100 Milliarden Nervenzellen, die in komplexen Netzwerken untereinander kommunizieren. Diese Kommunikation erfolgt über elektrische Signale, sogenannte Aktionspotentiale, die über einen Ein- und Ausstrom geladener Ionen gesteuert werden.
Dabei kann die Wirkung auf die einzelne Nervenzelle entweder hemmend oder verstärkend sein, je nachdem welcher chemische Botenstoff am Ende eines Signals ausgeschüttet wird. Auf diese Weise wird die gesamte Aktivität im Gehirn koordiniert und kontrolliert.
Zu diesem Zweck kommen unterschiedliche Neurotransmitter zum Einsatz.
Hemmung wird über GABA vermittelt
Der wichtigste hemmende Neurotransmitter für das gesamte Gehirn ist Gamma-Aminobuttersäure (GABA). GABA sorgt dafür, dass negativ geladene Chloridionen in die Nervenzelle einströmen und dadurch die Schwelle zur Entstehung eines Aktionspotentials vergrößert wird.
Dadurch ist ein viel stärkeres Eingangssignal für eine Aktivierung erforderlich. Die Reizweiterleitung ist gehemmt.
Tavor verstärkt die Hemmung im gesamten Gehirn
Lorazepam imitiert die Wirkung von GABA, indem es an GABA-A-Rezeptoren bindet und einen Chlorid-Einstrom in die Nervenzellen auslöst. Diese Wirkung erzielt das Medikament unspezifisch im gesamten Gehirn.
Somit wird das gesamte hemmende System im Gehirn dosisabhängig durch Lorazepam verstärkt. Der Effekt dieser zentralen Dämpfung ist eine Beruhigung bis hin zur Sedierung.
Tavor bringt das Gehirn zurück in ein gesundes Gleichgewicht – zum Teil
Bei starker Unruhe, Angst oder Panik liegt in Teilen des Gehirns eine übermäßige Aktivität (Erregung) vor. Die Ursachen dafür sind vielfältig und oft nicht verstanden.
In einem solchen übermäßig erregten Gehirn kann Lorazepam das System zurück in ein Gleichgewicht zwischen Erregung und Hemmung bringen und auf diese Weise die Symptome mildern. Hier gilt es, eine passende Dosierung zu wählen, um nicht über das Ziel hinauszuschießen.
Die Dosierung erfolgt achtsam je nach Schwere der Symptome
Die Dosis liegt, je nach Schwere der Symptome, zwischen 0,2 und 8 mg pro Tag.
Niedrige Dosierungen beruhigen und können dabei helfen, zur Ruhe zu kommen. Hohe Dosierungen wirken stark sedierend und werden vor Operationen oder zur Unterbrechung akuter epileptischer Anfälle (Status epilepticus) verwendet.
Angstzustände oder massive Schlafstörungen werden zumeist mit Tabletten und einer maximalen Tagesdosis von 2,5,mg behandelt. Hier wird niedrig begonnen und sich langsam an die benötigte Menge herangetastet.
Wegen der hohen Suchtgefahr dauert die Behandlung maximal 3 Wochen. Das Medikament wird für eine Entwöhnung schleichend herabgesetzt, um Entzugssymptome zu minimieren. Es gilt also, Tavor so wenig und so kurz wie möglich einzusetzen.
Lesetipp: Schlaftabletten und Alkohol
Nebenwirkungen von Tavor
Die Crux bei diesem Wirkmechanismus ist, dass Lorazepam überall im Gehirn wirkt, bei den unterschiedlichen Anwendungsbereichen aber nicht alle Hirnareale von einer Übererregung betroffen sind.
Durch die Dämpfung von Gehirnaktivität, die eigentlich in einem normalen Bereich liegt, kommt es zu zahlreichen Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Benommenheit, Verwirrtheit, Koordinationsstörungen oder Schwindel.
Dazu können selten sogenannte „paradoxe Wirkungen“ kommen, die sich über den Wirkmechanismus des Benzodiazepin nicht erklären lassen (2). Hierzu gehört zum Beispiel eine grundsätzlich gesteigerte Aggressivität bis hin zu unkontrollierten Wutausbrüchen. Diese unerwünschten Wirkungen demonstrieren zum einen, wie sehr Tavor in die Biochemie im Kopf eingreift, und zum anderen, wie wenig wir immer noch darüber verstehen.
Lesetipp: Meine Erfahrungen mit Tavor
Der Hammer für das Gehirn
Sehr vereinfacht könnte man sagen: Tavor wirkt wie ein Hammer auf das Gehirn, der zwar bestehende Schäden zum Teil repariert, aber auch neue Schäden anrichten kann.
Es ist ohne Frage ein hochwirksames Psychopharmakon, dass bei schweren psychischen oder neurologischen Symptomen schnell Abhilfe schaffen kann. Doch es sollte stets nur nach genauer Abwägung eingesetzt werden.
Über die Dauer der Behandlung sollte keine Einnahme anderer psychisch wirksamer Substanzen erfolgen, da es zu starken Wechselwirkungen kommen kann. Sie können nicht nur den Therapieerfolg behindern, sondern auch lebensbedrohlich werden.
Die Rolle von Alkohol wird hier oftmals unterschätzt, da er für viele zum Leben dazu gehört. Doch auch Alkohol wirkt wie ein Hammer auf das Gehirn und kann die Wirkung von Tavor deutlich verstärken.
Lesetipp: Alkohol und Melatonin
Wie wirkt Alkohol im Gehirn?
Das Ethanol aus alkoholischen Getränken gelangt rasch über das Blut ins Gehirn und stört dort zunächst relativ unspezifisch zahlreiche biochemischen Prozesse. Dabei kommt es kurzfristig zu einer verstärkten Aktivierung im Gehirn, die sich durch Euphorie, Glücksgefühle und einem enthemmten Verhalten äußert (3).
Auch Alkohol verstärkt die Hemmung im gesamten Gehirn
Relativ schnell kippt dieser euphorisierende Effekt allerdings und der Alkohol macht dich müde und benommen. Es entstehen Koordinationsschwierigkeiten, Schwindel und eine dosisabhängige Beruhigung, die bis hin zur Sedierung führen kann.
Dies geschieht, weil Ethanol zunehmend das inhibitorische System im Gehirn stärkt.
Eine Schlüsselrolle spielt dabei auch hier der GABA-A-Rezeptor, dessen hemmende Aktivität durch Alkohol verstärkt wird.
GABA-A-Rezeptoren und das Suchtverhalten
Interessanterweise gibt es Hinweise, dass die Wirkung des Alkohols über den GABA-A-Rezeptor eine wichtige Komponente für die Entstehung von Suchtverhalten ist (4).
Zum einen ist die Ausschüttung des „Glücksbotenstoffes“ Dopamin im sogenannten Belohnungssystem an eine Aktivierung von GABA-A-Rezeptoren gekoppelt. Diese Ausschüttung schafft eine psychische Abhängigkeit und steigert das Verlangen nach einem erneuten Rausch.
Lesetipp: Tavor Abhängigkeit
Zum anderen verändert regelmäßiger Alkoholkonsum die Zusammensetzung der GABA-A-Rezeptoren und schafft so einen Gewöhnungseffekt (5).
Dadurch steigt nicht nur die Toleranz für Ethanol, sondern für alle Substanzen, die als Agonisten auf den GABA-A-Rezeptor wirken. Hierzu gehören auch Benzodiazepine und GABA selbst.
Gleichzeitig reagiert das Gehirn auf die ständige Dämpfung mit einer Hochregulation erregender Prozesse. Die gesunde Balance zwischen Erregung und Hemmung im Gehirn eines Alkoholikers wird dadurch verschoben und es entsteht eine körperliche Abhängigkeit.
Entzugserscheinungen bei Alkoholikern – Folgen mangelnder Hemmung
Ein Alkoholiker braucht dann die ständige Hemmung durch Ethanol, da ansonsten spürbare Entzugserscheinung durch eine Übererregung des Gehirns aufkommen. Hierzu gehören Unruhezustände, Muskelzittern, Schlafstörungen und Ängste.
In schweren Fällen einer langjährigen Alkoholabhängigkeit kann es bei plötzlichem Absetzen zu einem sogenannten Alkoholdelir kommen. Die Übererregung führt dann zu Herzrasen oder Krampfanfällen, die lebensbedrohlich sein können.
Tavor ist bei Alkoholikern ein Sonderfall
Da die Alkoholsucht über GABA-A-Rezeptoren vermittelt wird, wird Tavor bei Menschen mit bestehendem Alkoholproblem oder Suchthistorie eher nicht zur Behandlung psychischer Störungen angewendet.
Zum einen sind Dosierungsprobleme absehbar, zum anderen würde schon eine einmalige Gabe die bereits etablierten Suchtmechanismen (wieder) in Gang setzten.
Hier gilt eine verantwortungsvolle Risiko-Nutzen-Abwägung des behandelnden Arztes.
Interessanterweise wird Tavor allerdings häufig begleitend bei einem Alkoholentzug eingesetzt, da es sehr gezielt die Entzugserscheinungen mildert und einen Delir verhindern kann.
Eine wichtige Prämisse ist jedoch: Niemals sollten Tavor und Alkohol gemeinsam eingenommen werden!
Was ich jedem mal raten würde, auszuprobieren
Ein persönlicher TippIch habe sehr gute Erfahrungen mit CBD-Öl gemacht. Es entspannt und beruhigt mich und hat mir sogar dabei geholfen, von meinen Antidepressiva loszukommen. Ich habe hierzu auch einen eigenen Erfahrungsbericht geschrieben, den Du hier nachlesen kannst.
Andreas
Online-Tests
Was macht die Kombination aus Alkohol und Tavor?
Auch jenseits von Alkoholismus ist Ethanol in Kombination mit Psychopharmaka immer bedenklich. Für schwere Wechselwirkungen zwischen Tavor und Alkohol genügt bereits ein moderater Alkoholkonsum.
Die Wirkmechanismen von Tavor und Alkohol sind sich sehr ähnlich. Beide stärken das inhibitorische System über eine Steigerung der GABAergen Aktivität und bewirken so eine zentrale Dämpfung.
Alkohol und Tavor verstärken sich gegenseitig
Bei einer gleichzeitigen Einnahme wirken beide dämpfenden Substanzen auf das GABAerge System und verstärken sich gegenseitig. Es kommt zu einer deutlich verstärkten beruhigenden bis sedierenden Wirkung.
Diese kann im schlimmsten Fall soweit ausgeprägt sein, dass die Atmung bis zur Bewusstlosigkeit verlangsamt wird (Atemdepression) und eine lebensbedrohliche Situation entstehen kann.
In Kombination wirken Alkohol und Tavor länger
Lorazepam und Ethanol werden beide über die Leber abgebaut.
Bei der doppelten Belastung arbeitet diese langsamer, sodass es länger dauert, bis die Wirkstoffe aus dem Blut vollständig abgebaut werden.
Der Rausch fällt somit nicht nur deutlich stärker aus, sondern hält auch länger an.
Wie lange soll ich komplett auf Alkohol verzichten?
Solange Lorazepam nicht vollständig abgebaut ist, solltest du komplett auf Alkohol verzichten.
Da Tavor aufgrund des hohen Suchtpotentials maximal über einen Zeitraum von drei Wochen eingenommen werden soll, ist der Zeitraum für die nötige Abstinenz allerdings überschaubar.
Die Halbwertzeit von Tavor liegt zwischen 10 und 20 Stunden. Sollte keine weitere Einnahme erfolgen, wäre moderater Alkoholgenuss somit frühestens nach dem zweiten Tag wieder tolerierbar.
Quellen:
- https://www.gelbe-liste.de/wirkstoffe/Lorazepam_387
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32418024/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6566861/
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15451394/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5605989/
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